Die Wahr­heit über Schulnoten

Die Wahr­heit über Schulnoten

Wie fair ist die Leis­tungs­be­wer­tung wirklich?

Zwei Schü­ler schrei­ben den­sel­ben Auf­satz. Bei­de haben ähn­li­che Argu­men­te, eine kla­re Struk­tur und kaum Recht­schreib­feh­ler. Der eine bekommt eine Zwei, der ande­re eine Vier. Zufall? Oder steckt mehr dahin­ter? Vie­le Schü­ler und Schü­le­rin­nen in Öster­reich fra­gen sich: Wie gerecht sind Schul­no­ten wirklich?

Was Schul­no­ten eigent­lich zei­gen sollen

In Öster­reich sol­len Schul­no­ten die Leis­tun­gen von Schü­ler und Schü­le­rin­nen objek­tiv und ver­gleich­bar machen. Die Noten­ska­la reicht von „Sehr gut“ (1) bis „Nicht genü­gend“ (5). Laut Gesetz sol­len Noten nach kla­ren Kri­te­ri­en ver­ge­ben wer­den – basie­rend auf schrift­li­chen und münd­li­chen Leis­tun­gen, Haus­übun­gen, Mit­ar­beit und Tests. So die Theorie.

Doch die Pra­xis sieht oft anders aus. Jede Lehr­kraft ent­schei­det selbst, was sie wie stark gewich­tet. In einem Fach zählt viel­leicht der Test zu 80 %, in einem ande­ren ist die münd­li­che Mit­ar­beit ent­schei­dend. Das macht das Sys­tem wenig trans­pa­rent – und öff­net der Sub­jek­ti­vi­tät Tür und Tor.

Wo die Pro­ble­me liegen

Vie­le Schü­ler und Schü­le­rin­nen erle­ben Noten als unge­recht. Beson­ders bei münd­li­chen Leis­tun­gen spielt oft die per­sön­li­che Wahr­neh­mung eine gro­ße Rol­le: Wer sich gut aus­drü­cken kann oder extro­ver­tiert ist, wird eher als „gut“ wahr­ge­nom­men – selbst wenn die Inhal­te nicht stim­men. Wer lei­se, schüch­tern oder sprach­lich unsi­cher ist, wird schnell unterschätzt.

Auch die Stren­ge der Lehr­kräf­te vari­iert stark. Man­che kor­ri­gie­ren streng nach Lehr­buch, ande­re sehen es lockerer.

Das wirft die Fra­ge auf: Sind Schul­no­ten wirk­lich ein fai­rer Maß­stab für Wis­sen und Können?

Was Leh­rer und Exper­ten sagen

Vie­le Lehr­kräf­te bemü­hen sich, gerecht zu bewer­ten. Sie füh­ren Lis­ten, erstel­len Noten­spie­gel und ver­glei­chen Leis­tun­gen anonym.

Bil­dungs­exper­ten und Bil­dungs­exper­tin­nen kri­ti­sie­ren das Sys­tem seit Jah­ren. Stu­di­en zei­gen, dass glei­che Leis­tun­gen bei unter­schied­li­chen Lehr­kräf­ten zu unter­schied­li­chen Noten füh­ren. Auch Her­kunft, Geschlecht oder Mut­ter­spra­che kön­nen unbe­wusst Ein­fluss neh­men – obwohl das offi­zi­ell kei­ne Rol­le spie­len darf.

Gibt es Alternativen?

Eini­ge Schu­len in Öster­reich pro­bie­ren bereits ande­re Wege. Statt Zah­len­no­ten bekom­men Schü­ler und Schü­le­rin­nen dort schrift­li­che Rück­mel­dun­gen über ihre Stär­ken und Schwä­chen. In der Neu­en Mit­tel­schu­le wur­den frü­her soge­nann­te Kom­pe­tenz­ras­ter ein­ge­setzt. Auch in Montesso­ri- oder Wal­dorf-Schu­len ver­zich­tet man ganz auf Noten – zumin­dest in den ers­ten Schuljahren.

Die­se Sys­te­me brau­chen aller­dings mehr Zeit und Enga­ge­ment – und sind nicht über­all umsetz­bar. Für vie­le Eltern, Betrie­be und Unis sind Noten wei­ter­hin ein wich­ti­ges Kriterium.

Schul­no­ten sol­len Klar­heit schaf­fen – doch oft hin­ter­las­sen sie Fra­gen und Frust. Ganz fair ist das Sys­tem nicht. Zu groß ist der Spiel­raum, zu stark die Unter­schie­de in der Bewer­tung. Trotz­dem sind Noten wei­ter­hin die „Spra­che“ des Bil­dungs­sys­tems – auch wenn sie oft mehr über die Umstän­de als über die tat­säch­li­che Leis­tung aussagen.

Viel­leicht braucht es nicht sofort ein neu­es Sys­tem – aber mehr Bewusst­sein dafür, dass eine Note nie die gan­ze Wahr­heit zeigt.

 

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Astrid Androsch administrator